15. Dezember bis 24. Oktober 2025: Klassische Moderne im Engadin: Turo Pedretti und Giuliano Pedretti

Klassische Moderne im Engadin

Turo Pedretti und Giuliano Pedretti

Die Sonderausstellung bietet eine überraschende Gegenüberstellung und ermöglicht neue Einsichten auf die Kunst von Turo Pedretti (1896–1964) und dessen ältestem Sohn Giuliano Pedretti (1924–2012), beides herausragende Protagonisten der Bündner Kunst im 20. Jahrhundert, in deren Oeuvre die Landschaft des Oberengadins als ein prägender und wirkungsvoller Einfluss erscheint. Momente in ihrem Leben festhaltend, lassen beide Männer die Betrachtenden an ihrer Welt und ihrem Alltag partizipieren.

Im Lawinenwinter 1951 wurde das Atelier-Haus der Pedrettis in Samedan vollständig zerstört. Die Künstlerfamilie zog 1952 in ein neuerbautes Haus in Celerina, heute Sitz der öffentlich zugänglichen Ateliers der beiden Künstler. Rund fünfzehn Werke von Turo und gut zwanzig von Giuliano aus diversem Privatbesitz werden in Poschiavo in der von Gian Casper Bott kuratierten und Moreno Raselli koordinierten Ausstellung zu sehen sein, bekannte Werke ebenso wie teils zum ersten Mal gezeigte.

Es gab verschiedene Kontakte zwischen den Pedrettis und Poschiavo, bereits in den 1950er Jahren mit Markus W. Rickenbach und dann ab den 1960er Jahren mit Wolfgang Hildesheimer, Not Bott und anderen. Assistiert von seinem Sohn Giuliano, schuf Turo Pedretti 1961 sein monumentalstes Werk, im Wasserkraftwerk Robbia bei San Carlo, das Wandbild Energie, das sich durch ein reiches Flächenkonzert und einen eigentümlichen neo-fauvistischen Kolorismus auszeichnet. Die Ausstellung in der Casa Console zeigt eine bemerkenswerte Vorstudie von 1960 für dieses bedeutende Werk sowie, ebenfalls von der Hand Turos, das Gemälde Kinder auf Schlittenbahn von 1958, das sich im Besitz der ehemaligen Forze Motrici Brusio (heute Repower) in Poschiavo befindet, im Park von deren Direktionsgebäude die Plastik Le grand cheval (1966) von Giuliano Pedretti installiert ist, die in der Casa Console in einem weiteren Exemplar ausgestellt sein wird.

Von Turo Pedretti werden Ölgemälde aus den Jahren 1945 bis 1963 zu sehen sein. Man wird in die besondere chromatische Welt eintauchen können, in die Kompositionen, die in ihrer Einfachheit gewagt sind, voller Kraft und mit einem leichten, aquarellhaft lasierenden, momentanen und gleichzeitig sicheren Pinselstrich. Werke wie Die Baracke (1945) – ein seltenes Werk aus der Zeit vor dem einschneidenden Lawinenunglück –, Sturm bei Celerina (1956), Eisenbahntunnel (1957) oder Jagd im Herbst II (1961) werden in Beziehung gesetzt zu einer wichtigen Gruppe von Stillleben wie Ananas (1952) oder Grosse Forelle auf Stuhl (1956) und dem letzten Werk, Der rote Hut (1963), das die Tochter Ladina mit einem in Chiavenna gekauften Artischockenstrauß zeigt. Die Jagd und der Fischfang sind ein wiederkehrendes Motiv im Werk von Turo Pedretti und weisen auf eine starke Verbindung zur Natur und zur Landschaft hin.

Von Giuliano Pedretti werden Meisterwerke aus den Jahren 1958 bis 2011 zu sehen sein – einige der jüngsten Skulpturen stammen aus dem neuen Jahrtausend und wirken überaus zeitgenössisch. Bedeutende Werke wie Der grosse Mann (E[rnst] B[eyeler]) von 1981, Mein Hund (Filipina) von 1986, La grande table (Hommage à Cézanne) von 1993-1994 sowie Figuren und Köpfe aus den Jahren 1978–2011 werden sich ins Gedächtnis einprägen. Es handelt sich um Skulpturen von einzigartiger physischer Präsenz, in denen das Licht und der Schatten, sowie die Zeit ein ins Werk integrierter Bestandteil sind und in denen Raum, Auslassungen und Existenz in ein Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung und Gegenüberstellung gesetzt werden. Formale Elemente wie Nähe und Distanz, Variation und Rhythmus, Oberflächenbehandlung, Patina, Grösse, Blickwinkel und Abstraktionsgrad der figurativen Sprache werden das Auge und den Intellekt ebenso faszinieren wie der kreativ umgesetzte Dialog mit einigen der wesentlichen Strömungen der künstlerischen Avantgarden im 20. Jahrhundert.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert